Brookesia micra

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Brookesia micra

Brookesia micra ♂ in Ruhefärbung

Systematik
ohne Rang: Toxicofera
ohne Rang: Leguanartige (Iguania)
Familie: Chamäleons (Chamaeleonidae)
Unterfamilie: Stummelschwanzchamäleons (Brookesiinae)
Gattung: Brookesia
Art: Brookesia micra
Wissenschaftlicher Name
Brookesia micra
Glaw, Köhler, Townsend & Vences, 2012

Brookesia micra ist eine Art der Stummelschwanzchamäleons (Brookesiinae). Der 23–29 mm lange Vertreter der Gattung Brookesia kommt ausschließlich auf der Insel Nosy Hara im Norden von Madagaskar vor. Dort bewohnt die Art den Bodenbereich von Trockenwäldern.

Brookesia micra wurde 2007 bei einer Expedition auf Nosy Hara entdeckt und 2012 von einer Forschergruppe von der Zoologischen Staatssammlung München unter Leitung des Zoologen Frank Glaw beschrieben. Es gehört zu einer Gruppe von sehr kleinen Brookesia-Arten aus dem äußersten Norden Madagaskars.

Foto eines Chamäleons auf einem Streichholzkopf
Juveniles Brookesia-micra-Individuum in Ruhefärbung auf einem Streichholzkopf

Brookesia micra ist ein äußerst kleines und zierliches Chamäleon. Die Weibchen der Art haben eine Kopf-Rumpf-Länge von 18,7–19,9 mm, insgesamt werden sie 26,9–28,8 mm lang. Die kleineren Männchen werden von Kopf bis Rumpf 15,3–15,9 mm lang und haben eine Gesamtlänge von 22,5–23,6 mm. Der Schwanz ist mit 7,2–8,9 (Weibchen) beziehungsweise 7,2–7,8 mm (Männchen) selbst für eine Brookesia-Art proportional sehr kurz. Der Kopf ist länger als breit. B. micra hat ausgeprägte Augenwülste, die Augen messen im horizontalen Durchmesser bei Weibchen 2,0–2,2 mm und 1,7–2,2 mm beim Männchen.[1] Der Rückenkamm setzt auf Höhe der hinteren Augenränder an und endet an der Schwanzbasis. B. micra besitzt elf, seltener zwölf kleine Dorne an jeder Seite des Rückens. Im Nacken ist ein Helm nur durch einen kleinen Kamm angedeutet. Die Schwanzwurzel ist bei Männchen geringfügig dicker als bei Weibchen.[2]

Der Körper von B. micra ist im Ruhezustand dunkelbraun, nur am vor den Augen gelegenen Teil der Schnauze befindet sich ein beiger Fleck. Der Schwanz wird zum Ende hin immer gelber und nimmt an der Spitze eine orange Färbung an. Die Stressfärbung weicht davon deutlich ab: Die braune Körperoberseite ist mit dunklen, graubraunen Punkten durchsetzt. Kopfoberseite, Rückenkamm und Schwanzwurzel färben sich unter Stress hell graubraun und heben sich damit vom Rest des Rückens ab.[2]

Der Hemipenis des Männchens, das als Holotypus dieser Gattung präpariert wurde, ist länglich (2,4 mm), relativ breit (maximale Breite 0,9 mm) und transparent. Er weist keine Ornamente auf. Die Spitze besteht aus einer kammähnlichen Struktur mit sechs Papillen, die in der Mitte am größten und am Rand am kleinsten sind. Nur je ein Hemipenis ist ausgestülpt, der zweite Hemipenis ist nur teilweise ausgestülpt. Bei nicht völlig ausgestülpten Hemipenissen ist der Kamm an der Spitze nicht sichtbar.[2]

Verbreitung und Lebensraum

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Verbreitungsgebiet (rot)
Foto eines Chamäleons in Seitenansicht
Weibchen von Brookesia micra in Ruhefärbung
Mikroskopaufnahme eines Hemipenis
Hemipenis des Männchens
Habitat von Brookesia micra auf Nosy Hara

Brookesia micra ist nur von zwei Stellen auf der nordmadegassischen Insel Nosy Hara bekannt. Dort wurden entlang eines kleinen Bachlaufs zwei Vorkommen entdeckt. Ob B. micra darüber hinaus auch noch an anderen Orten der Insel vorkommt, ist unklar. Die Art wurde auch von umfangreichen herpetologischen Expeditionen in der Vergangenheit übersehen, was darauf hindeutet, dass sie nur schwer zu entdecken ist. Der Lebensraum der Tiere besteht aus dem Waldboden eines Trockenwaldes, der auf erodierten Kalkstein-Brocken wächst. [2]

Über die Lebensweise der Art ist kaum etwas bekannt. Tagsüber bewegen sie sich auf den Kalksteinblöcken und zwischen herabgefallenem Laub in ihrem Lebensraum. In der Nacht ziehen sich die Tiere auf Zweige in niedriger Höhe (5–10 cm über dem Boden) zurück. [3]

 Evoluticauda 


 Brookesia nana


   

 Brookesia karchei


   

 Brookesia tedi


   

 Brookesia peyrierasi





   

 Brookesia sp. aff. minima


   

 Brookesia dentata


   

 Brookesia exarmata


   

 Brookesia ramanantsoai





   

 Brookesia minima


   


 Brookesia desperata


   

 Brookesia tristis



   

 Brookesia micra


   

 Brookesia confidens


   

 Brookesia tuberculata






Vorlage:Klade/Wartung/3

Eine mögliche systematische Position von Brookesia micra innerhalb der Untergattung Evoluticauda auf basis mitochondrialer und nuklearer DNA[4]

Die ersten Individuen von Brookesia micra wurden im März 2007 während einer zoologischen Expedition im Norden Madagaskars entdeckt. Ein Männchen wurde zu Forschungszwecken getötet und als Holotyp für eine spätere Artbeschreibung konserviert. 2008 wurden während einer zweiten Expedition im Februar weitere Tiere vermessen und fotografiert. Im Februar 2012 wurde schließlich die Erstbeschreibung im Fachjournal PLoS ONE publiziert, zusammen mit den verwandten Arten B. tristis, B. confidens und B. desperata. Die Autoren der Erstbeschreibung sind die deutschen Zoologen Frank Glaw, Jörn Köhler und Miguel Vences sowie ihr US-amerikanischer Kollege Ted M. Townsend. Bis zur Beschreibung von B. nana[5] war Brookesia micra das kleinste bekannte Reptil der Welt, worauf sich das Artepitheton micra (altgr. μικρός mikros ‚winzig, klein‘) bezieht.[2]

Innerhalb der Gattung Brookesia gehört B. micra zur Untergattung Evoluticauda, die eine Reihe sehr kleiner Arten aus dem Norden Madagaskars versammelt. Zwei unterschiedliche Positionen im Stammbaum der Gruppe sind angesichts von molekulargenetischen Untersuchungen plausibel. Die Art ist demnach entweder das Schwestertaxon einer aus B. desperata und B. tristis gebildeten Klade; beide Arten sind an der Nordspitze Madagaskars beheimatet. Das ND2-Gen der beiden Kladen unterscheidet sich um 23–26 %.[6] Dieses Verwandtschaftsverhältnis ist in 91 % aller auf ND2 basierenden Baumdiagrammen eindeutig.[4] Alternativ steht B. micra den Schwestertaxa B. confidens und B. tuberculata gegenüber; dann wären B. tristis und B. desperata gemeinsam die Schwesterklade dieser drei Arten. Diese Variante wird sowohl durch nukleare (CMOS-Gen) und mitochondriale (16S-Gen) Sequenzen nahegelegt, ist aber statistisch weniger solide.[4] Wahrscheinlich wurden der Vorfahr von B. micra durch einen Anstieg des Meeresspiegels, der Nosy Hara zur Insel machte, von den Festlandpopulationen getrennt. Die Verzwergung von B. micra resultiert nicht allein aus der ohnehin sehr geringen Körpergröße der B.-minima-Gruppe, sondern ist auch das Ergebnis von Inselverzwergung und somit das Ergebnis von zwei Prozessen. Die Autoren der Erstbeschreibung betonen jedoch, dass die Interpretation als Inselverzwergung unsicher ist.[7] Auch Arten der Gruppe, die nicht auf Inseln endemisch sind, werden ähnlich klein oder noch kleiner als B. micra. Zudem bestehen teils enge Verwandtschaftsverhältnisse zu größeren Arten, weshalb unklar ist, ob es sich bei der Verzwergung um ein ursprüngliches oder ein abgeleitetes Merkmal handelt.[5]

Quellen und Verweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Frank Glaw, Jörn Köhler, Ted M. Townsend, Miguel Vences: Rivaling the World's Smallest Reptiles: Discovery of Miniaturized and Microendemic New Species of Leaf Chameleons (Brookesia) from Northern Madagascar. In: PLoS ONE. Bd. 7, Nr. 2, 2012, e31314, doi:10.1371/journal.pone.0031314.
  • Frank Glaw, Jörn Köhler, Oliver Hawlitschek, Fanomezana M. Ratsoavina, Andolalao Rakotoarison, Mark D. Scherz, Miguel Vences: Extreme miniaturization of a new amniote vertebrate and insights into the evolution of genital size in chameleons. In: Scientific Reports. Band 11, Nr. 1, 2021, S. 2522, doi:10.1038/s41598-020-80955-1.
Commons: Brookesia micra – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Glaw et al. 2012, S. 7–8.
  2. a b c d e Glaw et al. 2012, S. 16–17.
  3. Glaw et al. 2012, S. 17.
  4. a b c Glaw et al. 2012, S. 3–4.
  5. a b Glaw et al. 2021.
  6. Glaw et al. 2012, S. 4–6.
  7. Glaw et al. 2012, S. 20–22.